Wie es eben so ist, gibt es Lokale, von denen man schon viel gehört hat, sich regelmäßig denkt, “da muss ich jetzt endlich mal hin” und es dann aber irgendwie doch nie schafft. So ging’s mir bis vor kurzem mit Ströck-Feierabend – vor allem, weil das Lokal im 3. Bezirk zwar zentral, in meinem persönlichen Alltag aber nie am Weg liegt. Alles andere – und das ist vieles – spricht dafür, möglichst oft dort einzukehren. Wie konnte ich diesen großartigen Ort so lange unbesucht lassen? Ich habe so vieles nicht gewusst und bin noch immer ganz baff, was hier passiert, im Lokal und im Unternehmen.
Dieser Beitrag ist in keinster Weise gesponsert, ich schreibe hier einfach als begeisterter Gast.
Man spürt in jedem Winkel des Lokals die gute Atmosphäre, die Begeisterung des Teams und es ist einfach rundherum alles super. Die Speisekarte ist eine Liste von kreativen Gerichten, die man sonst in der Qualität und zu so einem fairen Preis (!!) eher nirgendwo bekommt. Dabei wusste ich bei meinem ersten Lokalbesuch noch nicht mal, wie viel es zu den Zutaten zu erzählen gibt, die meisten der Lieferanten und Produzenten wären einen eigenen Artikel Wert. Das habe ich erst später genauer erfahren. Die verarbeiteten Produkte sind von einer überdurchschnittlichen Qualität, wie man sie selten in Innenstadtlokalen dieser Preisklasse findet. Die Auflistung der Produzenten ist das who-is-who der heimischen Vorzeigebetriebe. Selten, dass ein Lokal für mich zum instant favourite wird, aber hier geht es nicht anders.
Man muss vielleicht wissen: ich habe eine fast abartige Liebe zu Gemüse und die Ströck-Feierabend Köche auch. Das spannendste ist eben das Gemüse, das großteils – Tendenz steigend – aus eigenem Anbau stammt. Zu den wenigen Ausnahmen zählen z.B. Marchfelder Spargel in der Saison oder Bio-Zitrusraritäten. Damit schafft dieses Stadtlokal etwas, was oft nicht mal Betriebe in ländlichen Gebieten von sich behaupten können: Die beinahe komplette Selbstversorgung aus dem Gemüsegarten und ein glaubwürdiges Farm-to-table Prinzip, leistbar und zugänglich, weit weg von einem Eliteprojekt.
Für Vielfalt, gegen Monokultur: Geschmack und Umwelt profitieren
Wie kann ein Unternehmen, mit so einem Engagement, mit so viel Herzblut & Pioniergeist so wenig über all die großen Schritte, die ihnen gelungen sind, reden? In Zeiten von inflationärer Verwendung der Begriffe “Regionalität” “Nachhaltigkeit” und “farm to table” finde ich das zwar einerseits sympathisch, andererseits aber sehr, sehr schade! Es wissen einfach viel zu wenige Menschen von dem, was hier passiert. Darum bin ich so dankbar, dass ich durch die liebe Nina Mohimi die Menschen kennengelernt habe, die dafür verantwortlich sind.
So kam es auch, dass ich vor kurzem den Garten besuchen durfte. Im Rahmen eines kleinen Sommerfestes wurde neben dem Gemüse auch den großartigen Lieferanten der anderen Produkte eine Bühne gegeben. Für mich war es eine besondere Ehre, dass ich dabei sein durfte. Vielen Dank! Ich weiß noch immer nicht genau, wie ich meine Begeisterung in Worte fassen soll, um meinen Eindrücken gerecht zu werden. Es gibt so viel, was hier wichtig und richtig ist. Aber ich fang einfach mal an.
Der Ströck-Feierabend Garten: Vom Feld am Tisch in 60 Minuten
Der 2.700m² Garten liegt am Rande Wiens im 22. Bezirk Donaustadt aka Transdanubien. Der Ströck-Feierabend ist das einzige Lokal, das ich in Österreich kenne, das sich in diesem Ausmaß, nämlich so gut wie ganz und das ganze Jahr über, aus dem eigenen Garten mit Obst und Gemüse versorgt. Das funktioniert im Winter nur, weil die Köche genau wissen, wie sie den Geschmack der reichen Ernte für die weniger ergiebige Jahreszeit am besten einfangen und nutzen. Die Hülle und Fülle des Sommers wird eingekocht, eingelegt und eingelagert.
Sicher gibt es viele Lokale die Obst/Gemüse/Kräuter aus dem eigenen Garten auf der Speisekarte haben, aber der überwiegende Teil muss meist zugekauft werden – was nicht zwingend bedeutet, dass die Ware schlechter ist. Aber leistbare Qualität und vor allem Sortenvielfalt sind für ein Lokal im gemäßigten Preis-Segment nicht einfach zu bekommen. Im Ströck-Feierabend spürt man die Saisonen noch mehr als in anderen saisonal kochenden Lokalen. Gepaart mit der Brillanz der Küchenbrigade kann man sich auf eine gute Zeit mit unverfälschtem Hochgenuss verlassen.
Als ich diesen Gruß aus der Küche gesehen habe, wusste ich sofort: Piri und ich haben einen gemeinsamen Helden: Dan Barber, Pionier des Farm-to-table-Movements. Dort habe ich diese puristische, aber raffinierte Präsentation feinsten Gemüses in seinem Lokal “Blue Hill” zum ersten Mal bewundert. Piri auch. Man merkt an vielen Ecken, dass sich das Ströck Team von Barber inspirieren hat lassen und das ist super. “Das Gemüse ist der Star!”, sagt mir Piri im Gespräch am Sommerfest begeistert. Bei solchen Leuten will ich essen.
über vorurteile
Ich bin auch deshalb so baff, weil – ganz ehrlich – Ströck für mich, bevor es den Feierabend gab, eben eine der großen Wiener Bäckereiketten war. Die, die immer die Wiener Handballmannschaften gesponsert hat. Dass ich mich nie näher mit Ströck befasst habe, außer wenn ich unterwegs einen ordentlichen Kaffee dringend nötig hatte, ist sicher auch der oberösterreichischen Arroganz Auffassung geschuldet, was das ostösterreichische Bäckerhandwerk betrifft. Wer nämlich aus Oberösterreich nach Wien zieht, wird eine Reihe von Enttäuschungen in Sachen Brot und Gebäck erfahren und dann ewig dankbar sein, dass es den Gragger gibt. Zum Glück ist es ist nie zu spät, Neues kennen zu lernen. Denn obwohl ich hier so viel über Gemüse schreibe, leisten die Ströcks auch beim (Bio-)Brot Pionierarbeit, die man gar nicht glauben kann, weil man – im Vergleich zu anderen Bäckern – so wenig darüber liest. Mittlerweile haben sie sich eine eigene Steinmühle zugelegt – meiner Einschätzung nach vor allem aus dem frappanten Qualitätsfanatismus, den ich dort merke. Wie sich die Mühle beim Brot geschmacklich auszahlt, habe ich verstanden, als ich den daraus entstandenen Bio-Laurenzio-Wecken gekostet habe.
Ich kann nur Nina zitieren, weil ich es selber nicht besser formulieren kann:
“eine truppe die grenzenlose leidenschaft für ihr thema lebt (& darf), wertvolle & nachhaltige lieferanten schätzt, sich ständig überlegt wie sie noch besser werden können (und damit nicht effizienter meint) und dabei auch noch ein beispiellos großartiges team hat.”
Über diese Menschen wird noch vieles zu berichten sein, da bin ich mir sicher.
Allein, dass es den besten Fisch aus Österreichs Seen (ein tolles Projekt der Bundesforste) im Lokal gibt, sagt viel aus. Die Menge ist aus Umweltschutz natürlich begrenzt. Nur die besten Gastronomen des Landes bekommen ihn, nämlich die, die spitzenmäßig kochen UND in auch nachhaltig vorbildlich agieren. Wenig verwunderlich liest es sich wie eine Liste meiner Lieblingslokale (Liste hier). Geld verdient ein Gastronom an einem Wildfang-Gericht eher wenig bis gar keins.
In der Regel ist es ja so, dass Unternehmen, die Gutes tun (sei es soziales Engagement, nachhaltiges, faires Wirtschaften oder einfach Produkte in außergewöhnlicher Qualität) das auch so deutlich kommunzieren, dass man es als Konsument kaum verpassen kann. Ströck macht alles oben genannte in einem Ausmaß, das man kaum vermuten würde. Ich würde mich durchaus als gut informiert ins Sachen Kulinarik bezeichnen, besonders in Wien, aber ich wusste vieles nicht, was in diesem Unternehmen passiert. Die dürften ruhig ein bisschen mehr darüber reden.
Wie so viele meiner interessantesten kulinarischen Begegnungen habe ich auch jene mit Christoph Ströck und seinem Team Nina zu verdanken. Es gibt wenige Menschen, denen ich bei Empfehlungen so vertraue wie Nina. Hier seht ihr Nina mit ihrem Croissant-Helden und Feierabend-Pâtissier Pierre Reboul.
Was Croissant betrifft solltet ihr euch übrigens ausschließlich auf Nina (und damit auf the one and only Pierre) verlassen, weil ich es durch meine grundlegende Abneigung gegen Süßgebäck nicht zu schätzen weiß #schuldig :(
Es gibt schon Pläne, den Garten künftig öfter zu öffnen. Hoffentlich wird was draus! Inzwischen pilgern wir weiter in die Landstraßer Haupstraße. Seit ich den Ströck-Feierabend endlich kenne, ist das Lokal auch ganz oben in der Liste meiner Empfehlungen an Wien-Touristen, eine eher untypische Empfehlung in Schnitzel-City. Dabei bekommt man in moderner, zeitgemäßer Atmosphäre im Ströck-Feierabend genau das, worauf wir in Österreich stolz sein können: die moderne österreichische Küche mit allerbesten österreichischen Produkten, zubereitet und serviert von einem super Team und zu fairen Preisen. Bei jedem/r einzelnen Mitarbeiter/in merkt man, wie gern er/sie dort ist. Unverträglichkeiten oder vegane Ernährung werden kulinarisch anspruchsvoll berücksichtigt. Ich empfehle, einfach hinzugehen und sich auf die aktuellen Empfehlungen der Küchenmannschaft zu verlassen.
Öffnungszeiten:
Küche wochentags ab 16 Uhr, am Wochenende ab 7 Uhr. Reservierung: +43 1 204 39 99 93 057 oder online. Adresse: Landstraßer Hauptstraße 82, 1030 Wien
Event-Tipp:
Am 1. August gibt’s eine gute Möglichkeit, ein 3-gängiges Feierabend-Menü zum sensationellen Preis von EUR 29,90 zu genießen, billige Produkte werden sicher nicht verwendet sondern z.B. Wildfang-Fisch. Details hier.
- Ein spannendes Interview mit Christoph Ströck von der Coolinary Society
- Ninas Worte kann ich auch hier zu 100% unterschreiben
- Das äußerst gelungene & interessante Magazin “griffig & glatt” gibt’s in Print und online hier