Das 4. Foodcamp war wie alle anderen davor etwas ganz besonderes. Es war anders als bisher, nur eines war wie immer, wenn die Coolinary Society ein Event federführend organisiert: die tollen Menschen, die es veranstalten und die tollen Menschen, die es besuchen. Danke an Dani Terbu und Nina Mohimi, dass ihr erneut dieses Fest von Genuss und Kultur auf die Beine gestellt habt. Es gibt keine vergleichbare Plattform für die österreichische Foodie Szene.
Es ist immer wieder schön zu sehen, wenn sich Menschen so sehr für gutes Essen und die Arbeit dahinter interessieren, dass sie sich einen ganzen Tag Zeit nehmen, um sich gemeinsam reinzusteigern: ins Essen, ins Tun, ins Verbessern, ins Lernen, ins Vermitteln, ins Kaufen oder Nicht-Kaufen. Man trifft sich in großer Runde, ausnahmsweise offline.
Das beste aus dem Waldviertel: Martin Allram & Friedrich Potocnik
Zum Einstieg steht hier mein kurzes Video, bei dem ich neben dem “#foodvie Spirit” vor allem die sehr spannende Vormittagssession zum Wert von Brot festgehalten habe. Das Thema ist so wichtig wie der Vortrag mitreißend war. Diese Session war ein gutes Beispiel dafür, dass #foodvie kein reiner Spaß-Event ist (obwohl es sehr viel Spaß macht) sondern auch eine Plattform für Themen und Perspektiven, die Gefahr laufen unter den Tisch zu fallen. Hier ging es nicht um Sterneküche oder Superfoods (ersteres begeistert mich zwar auch, ist aber weniger gesellschaftlich relevant) sondern um den Wert von Brot – Grundnahrungsmittel, Kulturgut, Diskontartikel. Wir Konsumenten müssen jede Chance nützen, den Produzenten unseres Essens zuzuhören, als Blogger sind wir Multiplikatoren. Im Video sieht man zwei der für mich beeindruckendsten Vortragenden: Demeter-Landwirt Martin Allram, dessen tolle Produkte ich sehr schätze (u.a. im holis Sortiment), und Bäckermeister Friedrich “Fritz” Potocnik, der in seiner Bio-Troad Bäckerei in Vitis Wiens bekanntestes Brot bäckt, besser bekannt als “Joseph Brot”. Aber nicht nur die Hipsterbäckerei schätzt sein Know-How, er war es, der der nigerianischen Bevölkerung das Brotbacken ermöglichte, wo honorige Organisationen versagten. Schön, dass ihr da wart, vielen Dank.
Taste & Talk – alles ganz anders und wie immer
Alle vier Foocamps sind mir in bester Erinnerung – jedes für sich großartig. In erster Linie ist es eine unbeschreibliche Freude, einen ganzen Tag in so feiner, bunt durchmischter Runde zu verbringen, bei der es nur um unser aller Lieblingsthema geht: gutes Essen in all seinen Facetten. Es ist wirklich so: People who love food are the best people. Man trifft beim #foodvie alle auf einem Fleck, sodass nicht mal ein ganzer Tag reicht, um mit allen ausreichend ins Gespräch zu kommen. Da sind nämlich auch noch die vielen spannenden Produzenten, die von Neugierdsnasen wie mir ausgefragt werden können.
Viele Gespräche, wenig Blabla
So richtig Barcamp war #foodvie eigentlich nur in den ersten zwei Jahren. Letztes Jahr bestand der Sessionplan fast nur aus Workshops, wenig Theorie und viel Praxis. Der Tag verging wie im Flug, es war ein Riesenspaß. Dennoch haben mir die Gespräche ein bisschen gefehlt, bei denen man nicht grad auf den Herd oder das Darm-Device (wursten!) achten muss – heuer war das anders. Es war viel Zeit für Gespräche, vor allem durch die genau richtig bemessenen, langen Pausen. Der Gesprächsstoff geht bei #foodvie nie aus. Angesichts des großen Saal-Settings hätte ich mir die ein oder andere Podiumsdiskussion gewünscht oder ein anderes Format, in dem weniger frontal vorgetragen und mehr interagiert wird. Das wäre bei vielen Themen gut möglich gewesen, vor allem aufgrund des hochaffinen Publikums, in informellen Zwiegesprächen in den Pausen hatte jeder was zu sagen, viel Hochinteressantes und die wenigsten Foodies sind auf den Mund gefallen. Wenn wir ihn nicht grad voll haben, reden wir alle sehr gern, zumindest über Kulinarisches. Wir können so viel lernen von denen, die unsere Lebensmittel herstellen und von anderen Foodies, die sich aus purer Leidenschaft in ihren Lieblingsthemen immer mehr Know-How aneignen.
#foodvie kann auch Geschichtsunterricht
Die großartige Anette Ahrens durfte ich nach dem Besuch in der Wunderkammer schon zum zweiten mal hören, es war erneut ein besonderes Vergnügen. Sie ist nicht nur eine äußerst liebenswerte, charismatische Person, sondern verfügt über Spezialwissen in einem Fachgebiet, das so spannend wie unterschätzt ist und jeden selbsternannten Foodie ob seiner riesigen Bildungslücken erblassen lässt: Die Tafelkultur, ein irre spannender Teil der Geschichte. Anette Ahrens ist eine dieser faszinierenden Personen, der ich unendlich zuhören könnte. Die Historikerin forscht, erzählt, berät, kuratiert, sammelt und erklärt. Allein die Fotos, die sie herzeigen kann, lösen Staunen aus. Danach weiß ich ein Mal mehr, was ich rund ums Essen alles nicht weiß. Wer immer die Chance hat, sie zu treffen: nützt sie.
Auch die liebe Ingrid Gogl weiß viel, nämlich was die Rechtssituation im Internet betrifft. Netterweise hat sie ihr Wissen mit uns Foodies geteilt und eine informative Session zum “Law of Foodblogging” gehalten. Vielleicht nicht das lustigste, aber ein echt wichtiges Gebiet, in dem jeder Food Blogger Verantwortung trägt. Mitgefangen, mitgehangen. Danke, Ingrid!
Besonders aus dem Herz gesprochen hat mir die Gastrosophin Birgit Farnleitner, die sehr fundiert und unaufgeregt dargelegt hat, warum bei uns im alpinen Raum der Veganismus nicht die nachhaltigste/korrekteste/wünschenswerteste Form des Konsums sein muss. Ihre Argumente deckten sich zu 100% mit meinem Zugang zum (verantwortungs)bewussten und nachhaltigen Genuss. Leider neigt unsere Gesellschaft eher zum Schwarz-Weiß denken – also wird der Veganismus zur ultimativen Lösung Mittel gegen die Massentierhaltung, der Allesfresser zum egoistischen Feind des nachhaltigen Lebens. In meinen Augen ist der Veganismus der “easy way out”, der zwar viele Probleme bessert, aber oft nicht zu Ende denkt und Feindseligkeiten fördert. Medien lieben polarisierende Themen, differenzierte Sichtweisen bekommen selten Platz. Darum verlinke ich euch hier ein Beitrag auf Birgits Blog.
Sponsored Content kann super sein
Die Sessions hatten fast alle Vortragscharakter. Dass es keine Wahlfreiheit beim Programm gab, war deshalb nicht schlimm, weil die Sessions abwechslungsreich und fast alle interessant waren, einzig die Session über Nahrungsergänzungsmittel fand ich entbehrlich, die Inhalte sehr einseitig und ein bisschen deplatziert. Aber vielleicht bin ich da hypersensibel, weil ich Nahrungsergänzungsmitteln generell sehr kritisch gegenüber stehe und sie in einem erste-Welt-Land für unnötige Geldverschwendung halte.
Doch bei aller Kritik muss man sich eins in Erinnerung rufen: Die Teilnahme an diesem Event war für uns Besucher völlig kostenlos – vom pausenlosen, erstklassigen Essen & Trinken (Danke auch an die Liebe!) über die Vorträge bis zu den großzügig gefüllten Goodie Bags. Das wurde nur durch Sponsoren möglich, denen eben eine entsprechende Werbepräsenz dafür ganz einfach zusteht. Sponsoren sind bei allen Events der Coolinary Society so sorgfältig gewählt (oder eben abgelehnt), dass auch der “werbliche” Teil der Veranstaltung inhaltlich wertvoll und spannend bleibt. Programmpunkte, die Sponsoren einbeziehen sind so gut wie immer bereichernd, nie störend. Das liegt auch an den Sponsoren selbst, die authentisch und sympathisch wertvolle Inhalte eingebracht haben. Wenn es dann einem Sponsor mal nicht gelingt, das Publikum (oder einen Teil davon, mich z.B.) zu begeistern, ist das für den Sponsor zwar eine vertane Chance, für mich aber kein Anlass, mich groß zu beschweren. Besser hätte ich z.B. eine Diskussion spannender gefunden. Denn mir schien, dass es zum Nahrungsergänzungsmittelthema im Publikum unterschiedliche Meinungen gab. Summa summarum: Ich war schon bei Konferenzen, für die die Besucher Tickets bezahlt haben und es gab deutlich mehr bzw. fast nur “Sponsored-Content” in den Vorträgen, inhaltlich oft völlig uninteressant und schwachsinnig. Die Themen der meisten Sponsoren waren für mich beim Food Camp aber wirklich sehr interessant, etwa Julian Riess mit seiner Pfannenkunde. So muss Event-Sponsoring.
Angenehm heuer war, dass man keinen Stress hatte, sich einen eigenen Zeitplan zu machen, weil eh alles für alle im selben Raum statt fand. Jeder hatte Platz, niemand hat irgendwas verpasst. Und VIP-Teilnehmer Fabian hat alle technischen Probleme im Nu gelöst, weil er immer grad im Raum war.
Danksagung die 2938739489ste! #andcounting
Es hat also jede Art von Event-Setting seine Vor- und Nachteile und in meiner Erinnerung war jedes Foodcamp für sich einfach eine Riesenfreude, weil einfach die Menschen, die ich dort treffe, ganz besonders liebens-, hörens- und sehenswert sind. Und weil wir Onliner uns halt doch auch sehr gern offline treffen. Das Programm – in welchen Formaten und Settings auch immer – wird von der Coolinary Society mit sehr viel Liebe zum Detail organisiert, die Partner handverlesen. Die Coolinary Society ermöglicht einen interdisziplinären Austausch, wie er anderswo kaum möglich wäre – alle auf Augenhöhe, ob Produzent, Konsument, Veganer, Fleischfreak, große oder kleine Firma. Danke, für den undogmatischen Zugang, genau der macht den Event nämlich spannend. Es ist ein Riesenglück für die heimische Foodie Szene, dass es Dani und Nina gibt. Die beiden leisten seit Jahren Pionierarbeit für besseres Essen in so vielen Bereichen, viele Stunden unbezahlt. Dafür kann man ihnen gar nicht genug danken. Also nochmals ein riesengroßes DANKE an Dani Terbu & Nina Mohimi für diese Plattform, an alle die da waren und ihr Wissen weitergegeben haben, an die großzügigen Sponsoren und an die #foodvie Helferlein Andrea Eder, Susi Mayer, Gilda Polagnoli, Frau Tau und Angela Peichl.
Man verzeihe mir bitte die grindige Bildqualität, #foodvie kollidierte zeitlich leider mit einer notwendigen Reperatur an meiner geliebten Nikon. Sorry! Dafür hat Florence z.B. ganz grandiose Fotos gemacht!
Link:
HIER gibt’s eine laaange Link-Liste von Beiträgen zum #foodvie.